Oberösterreich rühmt sich ein modernes, zukunftsorientiertes Land zu sein. In manchen Bereichen trifft dies zu, stimmen Grundvoraussetzung und Richtung. In etlichen anderen Bereichen hat Oberösterreich noch großen Aufholbedarf. Dazu zählen allen voran der Klimaschutz, der Bodenschutz und der Ausbau der klimafreundlichen Mobilität. Dazu zählt aber auch ein modernes Regierungssystem in Oberösterreich. Und damit ganz konkrete die überfällige Abschaffung des Proporzsystems.
Nach den Landtagswahlen sind Weichen für die Proporzabschaffung zu stellen
Jüngst wurde in anderem Zusammenhang eifrig über die Steinzeit gesprochen. Genau dort befinden wir uns in Oberösterreich auch mit dem Regierungsproporz. Jenes Relikt aus grauer Polit-Vorzeit, an dem sich neben Niederösterreich nur noch Oberösterreich festklammert. Dieses System ist veraltet, aus der Zeit gefallen und kontraproduktiv. Die kommenden Landtagswahlen müssen hier eine Zäsur sein. Wir Grüne werden mit dem felsenfesten Vorhaben in die neue Legislaturperiode gehen, den Proporz aus dem Land zu verabschieden und durch ein modernes zeitgemäßes Regierungssystem zu ersetzen. Dafür müssen nach den Wahlen die entscheidenden Weichen gestellt und Vorarbeiten begonnen werden.
Die Ausgangslage
Eine Abschaffung des Proporzes ist gemäß der OÖ. Landesverfassung nur mittels einer Zweidrittel-Mehrheit im OÖ. Landtag möglich. Jedoch stehen die Grünen als einzige Landtagspartei für eine sofortige Abschaffung des Proporzsystems. Seit Jahrzehnten wird in OÖ über den Proporz diskutiert. Bereits im Jahr 1997 haben die Grünen einen entsprechenden Antrag auf dessen Abschaffung gestellt. Ebenso 2009 und unmittelbar nach der Landtagswahl 2015. Wir stehen zu einem Proporz-Aus, während die anderen Fraktionen entweder komplett blockieren oder sich einem langwährenden Eiertanz widmen.
Denn auch die aktuelle Haltung der anderen Parteien ist ebenso bekannt wie unverändert. Die FPÖ lehnt die Beseitigung des Proporzes beharrlich, kategorisch und grundsätzlich ab. Die SPÖ will seit jeher grundsätzlich bereit sein, zeigt aber weder wirkliche Ambition noch Zug zum Tor und spielt mittels Ausreden auf Zeit. Grundsätzliche Bereitschaft zeigt auch die ÖVP, um jedoch konstant auf Unwillen und Zögerlichkeit der anderen Fraktionen und damit keine absehbare zwei-Drittelmehrheit zu verweisen.
In Wahrheit ist es eine Machtfrage. Keine der anderen Fraktionen will Gefahr laufen, durch den Verlust des Regierungsamts nicht nur unmittelbar Macht und Einfluss einbüßen. Eine Praxis, wie sie seit Jahrzehnten durch das Proporz-System gang und gäbe ist. Das darf aber nicht ansatzweise das Kriterium für ein Regierungssystem sein. Von dieser Machtfrage müssen sich die anderen Fraktionen endlich lösen. Es geht einzig und allein um ein reifes demokratiepolitisches Modell, mit dem die kommenden Herausforderungen bestmöglich bewältigt werden können. Es kann und darf nur um das Land Oberösterreich gehen. Wie seine Zukunft gestaltet wird. Welche politischen Kräfte diese Gestaltung federführend tragen sollen, bestimmen die WählerInnen. Dass hier letztendlich ein politisches Relikt maßgeblichen Einfluss nimmt, muss abgestellt werden.
Ein Blick in die anderen Bundesländer zeigt: Oberösterreich hat demokratiepolitischen Aufholbedarf
Österreichweit ist der Proporz nahezu bereits Geschichte. Ein Blick in die anderen Bundesländer zeigt den Nachholbedarf Oberösterreich. Denn mit Ausnahme Niederösterreichs und des Sonderfalls Wien haben alle Bundesländer diesen Reformschritt bereits seit geraumer Zeit beschritten und den Proporz durch ein modernes Regierungssystem ersetzt.
- Vorarlberg 1923
- Salzburg 1999
- Tirol 1999
- Burgenland 2015
- Steiermark 2015
- Kärnten 2017
Wien verfügt über eine Sonderform mit „nichtamtsführenden StadträtInnen“ und kann als Gemeinde den Proporz nicht selbst abschaffen, da es dafür eine bundesgesetzliche Änderung braucht, die eine Zweidrittelmehrheit benötigt. Auch dafür gab es bereits Grüne Vorstöße. Selbst in Niederösterreich war bereits eine Abschaffung des Proporzes angepeilt worden. Die Landes-ÖVP hatte diesem Schritt zugestimmt. Geweigert haben sich aber SPÖ und FPÖ, womit eine Zweidrittel Mehrheit nicht möglich war. Eine nicht unähnliche Situation wir in Oberösterreich.
Nur OÖ hat U-Ausschuss nicht als Minderheitenrecht
Aufholbedarf gibt es auch bei den Kontrollrechten im OÖ. Landtag. Mittlerweile kann in fast jedem der neun Landtage in Österreich einen Untersuchungsausschuss (in OÖ Untersuchungskommission) von einer Minderheit eingerichtet werden. Nur in OÖ ist es immer noch nicht möglich.
Nach dem Proporz: Eine Regierung mit mehr Gestaltungsrechten, eine gestärkte Opposition mit mehr Informations- und Kontrollrechten
Das Ende des Proporzes und damit der Umstieg auf ein modernes Regierungssystem haben ein klares Ziel: Es muss in Oberösterreich endlich eine echte und klare Trennung zwischen Regierung und Opposition geben. Einerseits eine Regierung, die mehr Rechte und Gestaltungsspieltraum bekommt, effizienter arbeiten kann aber sich auch vollinhaltlich dafür verantwortlich zeichnet. Und andererseits eine Opposition, die die mehr Kontroll-, Informations- und Minderheitenrechte erhält und damit deutlich gestärkt wird. Dass derzeit alle im Landtag vertreten Parteien auch in der Regierung vertreten sind, widerspricht dieser Logik vollkommen. Dass jede Partei gleichzeitig Regierungskraft und je nach Interessenslage Opposition ist, konterkariert die eigentliche Aufgabenverteilung.
Die Einbindung aller?
Und wie ist es jetzt mit der immer wieder vorgebrachten Einbindung aller Parteien durch das Proporzsystem? Sehr wenig. Wir erleben vielmehr, dass gerade von der schwarz-blauen Regierungskoalition in andere Ressorts hineinregiert oder deren Arbeit mit Hürden gepflastert wird. In anderen Fällen werden wichtige übergeordnete Weichenstellungen und Maßnahmen in Ressort nicht gesetzt. Wir können wir etwa effektiven Klimaschutz auf breiter Basis vorantreiben, wenn sich etwa das FP-geführte Wohnbauressort dagegen sträubt. Die so sehr hervorgehobene breite Einbindung ist eigentlich nur Makulatur.
Die ÖVP muss sich endlich klar zur Proporzabschaffung bekennen und diese unterstützten
In diesem Sinne muss nach dem bevorstehenden Wahlgang das Ende des Proporzes eingeläutet werden. Es wird große Überzeugungsarbeit bedürfen die anderen Fraktionen endlich diesen Weg einzuschwören. Wenn wir aber auch unser Regierungssystem fit machen wollen, wir daran kein Weg vorbeiführen. Aber ist klar, dass es weiter ein zäher Prozess sein wird und die Perspektiven je nach Partei unterschiedlich sind.
Die FPÖ blockiert und mauert. Und es ist nicht davon auszugehen, dass die FPÖ ihre Position ändert. Zu klar waren die Aussagen und Widerstände aus der FPÖ zu einer Abschaffung des Proporzes. Und das wird sich eher verstärken. Oberösterreich ist das letzte Bundesland mit einer FPÖ in Regierungsverantwortung. Kommt es im Herbst zu einem Wechsel der Koalition, ist für die FPÖ der Proporz der einzige Anker, der ihr ein Regierungsamt sichert.
Die SPÖ spielt auf Zeit. Sie gibt nötige Begleitmaßnahmen und damit die Stärkung der Oppositionsrechte als Grundvoraussetzung für die Proporzabschaffung an. Mit diesem Argument hätte die SPÖ schon längst zustimmen müssen. Denn selbstverständlich muss und wird es diese Begleitmaßnahmen geben. Das haben wir Grüne während der gesamten Debatte konsequent betont und hervorgehoben. Geben wir auf der einen Seite der Regierung durch die freie Koalitionsbildung weitaus mehr Gestaltungsspielraum, müssen wir auf der anderen Seite den Informationsfluss Richtung Landtag und Opposition stärken. Das liegt doch auf der Hand.
Die ÖVP gibt den Beobachter. Immer wieder kommen Signale der Bereitschaft aus der Volkspartei, um jedoch gleichzeitig auf die Widerstände der anderen Fraktionen und die momentane Aussichtlosigkeit einer nötigen Mehrheit zu verweisen. Unlängst wiederholt durch LR Hiegelsberger, der die ÖVP offen sieht, nach der Wahl über eine Abschaffung des Proporzes zu reden. Eine Ankündigung ist eben eine Ankündigung. Wenn es die ÖVP wirklich ernst meint mit der Proporzabschaffung muss sie sich endlich ganz klar deklarieren. Sie muss diesen Schritt endlich aktiv unterstützen und den dafür nötigen Prozess vorantreiben. Und genau erwarten wir und werden es nach der nachdrücklich einfordern.
Mit einem Oberösterreich-Konvent zu einem modernen Regierungssystem für das Land
Einen ersten, wesentlichen Schritt sehe ich in einem Oberösterreich-Konvent: Wir können uns schon jetzt darauf einigen, nach der Wahl einen breiten Prozess zu starten. Kernstück dieses Prozesses muss ein Oberösterreich-Konvent sein, bei dem sich alle Fraktionen mit ExperInnen an einen Tisch setzen. Das Ziel des Konvents muss sein, für unser Bundesland ein modernes Regierungssystem auf den Weg zu bringen.
Eine Abschaffung des Proporzes bringt eine klare Aufteilung in Regierung und Opposition. Mehr Gestaltungsfreiheit -und rechte für die Regierung müssen andererseits deutlich aufgewertete Oppositionsrechte gegenüberstehen. Die Grünen gehen in einen zu planenden Vorbereitungsprozess mit ganz klaren Punkten, wie diese Rechte gestaltet sein müssen.
Ausbau der Informationsrechte, unter anderem:
- Offenlegung der Regierungssitzungsunterlagen, der Tagesordnung und des Abstimmungsergebnisses
- Vorab-Informationen des Landtages über Verhandlungen für 15a-Vereinbarungen
- Vorab-Informationen zu Verordnungs-Vorhaben der Regierungsmitglieder
- Vorab-Information hinsichtlich der Haltung des Landes zu Fragen des Finanzausgleiches
Ausbau der politischen Kontrollrechte, unter anderem:
- Einsetzung der Untersuchungskommission als Minderheitenrecht wie im Parlament (das heißt, ein Viertel der Abgeordneten kann die Einsetzung einer Untersuchungskommission verlangen)
- Einbringung eines Misstrauensantrages gegen die gesamte Landesregierung oder auch einzelner Mitglieder als Minderheitenrecht (Klubrecht) wie im Parlament, (derzeit sind für die Einbringung eines Misstrauensantrages gegen den Landeshauptmann zwei Drittel der Abgeordneten notwendig, gegen ein Mitglied der Landesregierung zwei Drittel der eigenen Fraktion)
- Wechselrede über die Beantwortung einer schriftlichen Anfrage als Minderheitenrecht (mit einer beschränkten Anzahl pro Jahr), derzeit ist ein Landtagsbeschluss dafür nötig
- Einrichtung eines unabhängigen Budgetdienstes zur Unterstützung des Landtages bei der Beratung, Beschlussfassung und Kontrolle der Haushaltsführung