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25 Jahre Grüne im OÖ. Landtag

Am 5.Oktober 1997 wurde sowohl landespolitische als auch Grüne Geschichte geschrieben. Bei den Landtagswahlen dieses Jahres konnten die Grünen mit einem großen Wahlerfolg und 5,78 Prozent die Hürde für den Einzug in den Landtag überspringen. Wenige Wochen später – am 31.Oktober – wurden die ersten drei Grünen Abgeordneten im Landesparlament angelobt. Der Landtagsklub der Grünen Oberösterreich war geboren und eine Entwicklung in Gang gesetzt, die die Grünen zum wichtigen Player der Landespolitik und zur koalitionären Regierungspartei werden ließ.

Der erste Landtagsklub: Gunther Trübswasser, Doris Eisenriegler und Rudi Anschober

Die ersten 25 Jahre

Der 5.Oktober 1997 markierte den Höhepunkt eines bis dahin beispiellosen Werdegangs. Aus einer stetig wachsenden Umweltbewegung wurde eine auch institutionell mitbestimmende politische Kraft zur Gestaltung Oberösterreichs. Eingebettet in den gesetzgebenden Rahmen des Landtags, das bis dahin wenig differenzierte OÖ. Parteienspektrum und ausgestattet mit allen Instrumenten der demokratischen Mitbestimmung. Zentral war ein Punkt: Ab diesem Zeitpunkt hatten die Umwelt und alle Umweltbewegten erstmals eine offizielle, in der Volksvertretung des Landes verankerte Vertretung. Schutz von Umwelt und Natur erhielten einen völlig neuen Stellenwert und mächtigen Impuls. Die etablierten Parteien wurden mit Forderungen konfrontiert, die weder in ihr Weltbild noch in gewohnte Entscheidungsprozesse passten. Mit einer neuen Politik, die den schonenden Umgang mit der Umwelt zur Zukunftsfrage des Landes machte. Es waren die Grünen, die erstmals im Landtag den drohenden Klimawandel thematisierten und effektiven Klimaschutz einforderten. Die erstmals über ihre Umwelt- und Anti-Atompolitik die Energiefrage stellten und auf eine umfassende Energiewende drängten. Positionen, die vor allem in der momentanen Situation dramatische Aktualität haben. Es waren aber auch die Grünen, die mit bis dahin im Landtag kaum gekannter Vehemenz auf ein solidarisches Miteinander, Gleichstellung, Menschenrechte aber auch auf eine Modernisierung des verkrusteten politischen Systems in Oberösterreich gedrängt haben. 

Dieser Kurs wurde von den Wähler:innen goutiert. Bei den Landtagswahlen 2003 erreichten die Grünen 9,1 Prozent der Stimmen und dies mit weitreichenden Folgen. Durch zwei zusätzliche Mandate waren die Grünen nun mit fünf Abgeordneten im Landtag vertreten. Der enorme Stimmenzuwachs brachte den Grünen zudem mit dem Umweltressort nicht nur einen Regierungssitz, sondern führte sie in ein Regierungsübereinkommen mit der ÖVP. Die erste, vielbeachtete Schwarz-Grüne Koalition Österreichs, die über zwei Legislaturperioden Aufbruchsstimmung, Innovation und Zukunftsorientierung für Oberösterreich brachten. Auch bei den folgenden Wahlen konnten die Grünen zulegen und erreichten 2009 9,2 Prozent, 2015 10,3 Prozent und 2021 12,3 Prozent. Seit dem ersten Antritt im Jahr 1985 konnten die Grünen daher bei jeder Wahl ein Plus verzeichnen. 

Grüne Wahlergebnisse seit 1997 / Landtagswahlen OÖ

Die Grünen Landtagsabgeordneten – die bisherigen Wegbereiter:innen und Gestalter:innen

Insgesamt 17 Grüne Abgeordnete waren seit dem Einzug 1997 im Landtag vertreten. Ab dem Jahr 2003 sind die Grünen auch mit einem Landesrat in der Regierung verankert. 

  • Rudi Anschober, 1997-2003 (Landesrat von 2003-2020)
  • Doris Eisenrieger, 1997-2009 (3. Präsidentin des Oö. Landtags von 2003-2009)
  • Gunther Trübswasser, 1997-2009 (Klubobmann von 2003-2007)
  • Gottfried Hirz, 2003-2021 (Klubobmann von 2007-2021)
  • Ulrike Schwarz, seit 2003
  • Maria Wageneder, 2003-2015
  • Maria Buchmayr, 2009-2021
  • Markus Reitsamer, 2009-2015
  • Ulrike Böker, 2015-2021
  • Stefan Kaineder, 2015-2020 (Landesrat seit 2020)
  • Severin Mayr, seit 2015 (Klubobmann seit 2021)
  • Johanna Bors, 2020-2021
  • Anne-Sophie Bauer, seit 2021
  • Dagmar Engl, seit 2021
  • Rudi Hemetsberger, seit 2021
  • Ines Vukajlović, seit 2021
  • Reinhard Ammer, seit 2021

Seit 2003 können die Grünen auch ein Mitglied in den Bundesrat entsenden. Das waren bislang Ruperta Lichtenecker (2003-2006), Franz Breiner (2006-2008), Efgani Dönmez (2008-2015), David Stögmüller (2015-2019), Claudia Hauschildt-Buschberger (seit 2019).

Die größten Erfolge des Grünen Landtagsklubs

Der Grüne Landtagsklub konnte speziell ab 2003 in Zusammenarbeit mit dem Grünen Regierungsbüro maßgebliche Erfolge für ein zukunftsorientiertes Obersterreich verbuchen. Es wurde ua.

  • der Grundstein für eine umfassende Energiewende gelegt, durch konsequentes Vorgehen 2015 wurden rund 40% des Gesamtenergieverbrauchs sowie 80% des Stroms und 60% der Raumwärme in OÖ durch Erneuerbare erzeugt
  • von 2003 bis 2015 die Fläche der Solarwärmeerzeugung auf rund 1.349.000 m² mehr als verdoppelt, die Sonnenstromfläche mit rund 18.000 Photovoltaikdächern fast verfünfzigfacht. Der Stromertrag aus Windkraft hatte sich auf 73 GWh beinahe vervierfacht. Biomasseheizungen wurden auf 65.000 mehr als verdreifacht
  • die Schadstoffbelastung im Zentralraum Linz durch das 2005 geschnürte 30-Punkte-Programm gegen Feinstaub massiv gesenkt, die größte Einzelreduktionsmaßnahme das Staubminderungsprogramm voestalpine Linz und wurde 2007 erfolgreich umgesetzt.
  • ein gentechnisch-freies Oberösterreich abgesichert, die „Allianz der Regionen für ein Selbstbestimmungsrecht bei GVO“ gegründet, das Selbstbestimmungsrecht 2015 in der EU durchgesetzt und im Vorsorgegesetz des Landes verankert 
  • das größte Hochwasserschutzprogramm der Landesgeschichte umgesetzt darunter Großprojekte wie Mitteleuropas größter Hochwasserschutz, der Machlanddamm und der Schutz von Urfahr
  • der freie Zugang zu Seen und anderen Naturschönheiten OÖ in der Landesverfassung verankert
  • die Einrichtung des Landesrechnungshofs im Jahr 1999 initiiert und umgesetzt
  • die Prüfkompetenzen des Landesrechnungshofs auf Gemeinden erweitert
  • das BürgerInnenrechte-Paket 2015 beschlossen
  • das Landesverwaltungsgericht 2014 eingeführt, eine der größten Änderungen in der Verfassung seit dem EU-Beitritt und die größte Verwaltungsreform in der 2. Republik
  • ein Anti-Diskriminierungsgesetz erlassen
  • Förderungen transparent gemacht durch einen online abrufbaren Förderkatalog
  • der Gratiskindergarten ab 2 ½ Jahre umgesetzt
  • ein Dienstrecht für Kindergartenpädagog:innen mit deutlich höheren Einstiegsgehältern und besseren Urlaubsbedingungen eingeführt 
  • Gewaltpräventionsprojekten und der Schulsozialarbeit an Pflichtschulen umgesetzt 
  • Assistenz an öffentlichen Pflichtschulen für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf umgesetzt 
  • das Maßnahmenpaket zur Reduktion der Zahl der Schulabbrüche 2011 im OÖ. Landtag beschlossen
  • das Chancengleichheit 2008 für Menschen mit Beeinträchtigung beschlossen
  • spekulative Finanzgeschäfte in Oberösterreich verboten. Seit einem Landtagsbeschluss auf Grüne Initiative im Jahr 2011 für Gemeinden und Statutarstädte, seit 2014 auch für das Land OÖ. 

Die Gegenwart: 

Umwelt- und Klimaschutz, die Energie und Verkehrswende, Zusammenhalt und Demokratisierung – keine dieser Agenden der frühen Landtagszeiten hat an Aktualität eingebüßt. Ganz im Gegenteil: Der Klimawandel wird immer spürbarer und bedrohlicher. Er erfordert die Energiewende ebenso wie nun so dramatische, durch den Ukraine-Krieg ausgelöste und durch die russische Gasabhängigkeit angefachte Energiekrise. Die Teuerung stellt nicht nur die öffentlichen Haushalte, die Menschen und den Zusammenhalt, sondern auch demokratische Strukturen auf eine harte Probe. 

Oberösterreich hat damit unter einer schwarz-blauen Koalition umzugehen. Trotz Grüner Zugewinne bei den Landtagswahlen 2015 war durch die Stimmenverluste der ÖVP eine schwarz-grüne Mehrheit nicht gegeben und eine Fortsetzung der Koalition nicht möglich. Der Zukunftskurs Oberösterreichs war damit gestoppt. Die Energiewende wurde gegen alle Proteste der Grünen massiv eingebremst, der der Ausbau des Öffentliche Verkehrs verschlafen. Mit dem Ergebnis, dass Oberösterreich bei den Erneuerbaren Energien vom Vorreiter zum Schlusslicht abgesackt ist, jedoch den größten Anteil an Individualverkehr und den größten CO2 Ausstoß aller Bundesländer aufweist. Zudem hat eine neue soziale Härte große Hürden aufgebaut, eine handzahme Raumordnung den Bodenverbrauch nicht ansatzweise gestoppt und eine Modernisierung des heimischen politischen Systems ist unter dieser Konstellation nicht in Sicht. 

Ein junger Grüner Landtagsklub gegen altes Denken

Der Grüne Klub bei der Angelobung 2021

Bei den Landtagswahlen 2021 neuerlich durch einen Stimmengewinn gestärkt, arbeitet seit einem Jahr ein auf sieben Abgeordnete gewachsener Grüner Landtagsklub für Oberösterreich. Es wurde ein Generationswechsel vollzogen. Ein weitgehend neues, verjüngtes, hochengagiertes und kompetentes Grünes Landtagsteam setzt alles daran, die Zukunft des Landes und vor allem der nachfolgenden Generationen zu sichern.

Dieser Grüne Klub steht diametral gegen das Beharren und alte Denken einer Neuauflage von Schwarz-Blau. Einer mittlerweile zerrütteten Zweckpartnerschaft, die nur dem Machterhalt der ÖVP dient und nicht der Entwicklung des Landes. Die auf ausgetreten Pfade bleibt, statt neue Wege zu beschreiten und das vielbeschworene oberösterreichische Gemeinsame noch stärker in den Hintergrund drängt als zuvor. 

Schon bei der Pandemie-Bekämpfung völlig uneins, schafft es die Koalition selbst in der aktuellen Energiekrise und Teuerungswelle, kraftvoll für das Land zu arbeiten. Die Energiewende wird verschleppt, die Bevölkerung mit den gestiegenen Preisen im Stich gelassen. Neue Autobahnen werden propagiert und Fortschritte beim Öffentlichen Verkehr gibt es nur durch Druck des Bundes. Aber die Zeit ist auf Seiten des jungen Grünen Landtagsklubs, denn eine Änderung und Neuausrichtung der heimischen Politik ist unausweichlich.

Die nächsten 25 Jahre: 

Die Entwicklungen der letzten Jahre und Dramatik der vergangenen Monate haben gezeigt, dass Grüne Themen so aktuell sind wie nie zuvor. Die Welt befindet sich in einem grundlegenden Wandel. Sie muss und wird in 25 Jahren eine andere sein: Frei von fossilen Brennstoffen, klimaneutral, mit neuen Formen von Mobilität und Arbeit, einem umfassenden Schutz des Bodens, endlich erreichter Gleichstellung von Mann und Frau, um nur einige Punkte zu nennen – für den Grünen Landtagsklub bedeutet dies, die Schwerpunkte seiner Arbeit mit aller Konsequenz fortzuführen und zu verstärken: Vom Klima-, Umwelt- und Naturschutz, über die Energie- und Verkehrswende bis hin zu Bodenschutz, sozialer Gerechtigkeit, Gleichstellung, Transparenz und Demokratisierung. 

Das ist zu tun: 

  • Die Energiewende ist vollständig umzusetzen. Es gilt, das Land bis 2040 von fossiler Energie und jeglicher Energie-Abhängigkeit zu befreien. Die gesamte Energieversorgung hat auf erneuerbaren Energieträgern zu basieren.
  • Dafür ist eine umfassende Solaroffensive umsetzen, die sowohl den privaten, gewerblichen, agrarischen und landeseigenen Bereich miteinschließt.
  • Die Errichtung von 100 Windrädern bis 2030 auf Basis eines neuen Windmasterplans ist raschest in die Wege zu leiten.
  • Die Verkehrswende ist umzusetzen. Autobahnprojekte wie die Linzer Ostumfahrung sind ad acta zu legen und Schienenausbau voranzutreiben, konkret eine rasche Realisierung der Linzer Stadtbahn sowie ein ehester Ausbau der Summerauerbahn zu einer zentralen Schienenverkehrsachse in Oberösterreich.
  • Der Bodenverbrauch ist durch eine wirksame Raumordnungsnovelle zu stoppen, Umwidmungen von Grünland in Bauland erfolgen nur mehr in Ausnahmefällen, Bauprojekte sind auf bereits gewidmeten Flächen durchzuführen.
  • Die Weltoffenheit ist zu stärken, sie wird zum wesentlichen Instrument gegen den Fachkräftemangel und damit zur Standortfrage.
  • Soziale Sicherheit und sozialer Ausgleich sind zu stärken, als Sicherungsnetz für die Betroffenen und Schutzschirm gegen Populismus.
  • Frauen werden gleichberechtigt. In allen Bereichen. 
  • An der Abschaffung des Proporzes führt kein Weg vorbei. Er ist durch ein modernes Regierungssystem mit verantwortlichen Regierenden und einer gestärkten Opposition mit umfassenden Minderheitsrechten zu ersetzen. Dazu sind die Vorarbeiten anzugehen, ua durch einen Oberösterreich-Konvent, der Mitbestimmung und demokratischen Diskurs stärkt.

Die Arbeit des Grünen Landtagsklubs ist nicht nur ein Versprechen an Oberösterreich, sondern auch ein Blick in die Zukunft. Durchsetzung, Veränderung und Gestaltungsauftrag durch Wachstum – das ist selbstverständlich die Mission für die kommenden 25 Jahre. Je stärker die Grünen sind, desto rascher können sie ihre Ziele für das Land umsetzen. Je stärker sie von den Wähler:innen mit dem Gestaltungsauftrag betraut werden, desto umfassender können sie federführende Verantwortung für Oberösterreich übernehmen. Diese Wachstum ist nicht nur alleine eine Frage des Wähler:innen-Willens, sondern untrennbar verbunden mit der Entwicklung der Grünen Gemeindegruppen. Sie sind nicht nur die Grünen Augen und Ohren vor Ort, engagierte Multiplikatoren, sondern auch Personal-Pool für künftige Landtagsabgeordnete. Sie sind grundsätzlich Symbol und Rückgrat des Grünen Wachstums. Ein Blick auf Historie und Gegenwart stimmt mehr als zuversichtlich.

Gelang bei den Gemeinderatswahlen 1997 in 17 Gemeinden der Einzug in den Gemeinderat, waren es 2003 bereits 66 Gemeinden, mit teils grandiosen Erfolgen jenseits der 20 Prozent. Zudem schaffte man den Einzug in 20 Stadträte bzw. Gemeindevorstände. Auch die folgenden Gemeinderatswahlen brachten große Wachstumsschritte. 2009 gelang der Einzug in 94 Gemeinderäte, 2015 in 122 und den jüngsten GRW in 149. Über 35 Mandate hatten die Grünen im Jahr 1997, aktuell sind es imposante 532. 

Das Wachstum an Grünen Gemeindegruppen wird stetig fortgesetzt, Kontakte werden geknüpft an Neuaufnahmen gearbeitet. Die Zusammenarbeit von Partei, Klub und Gemeindegruppen wird konstant ausgebaut und damit der Rückhalt für die Abgeordneten gestärkt. Denn die Ziele für die kommenden 25 Jahre des Grünen Landtagsklubs sind hochgesteckt.

Visionär

Eine aktive Umweltpolitik, eine Sozialpolitik für die Schwächsten der Gesellschaft und eine Durchflutung mit Demokratie. Dies hat der spätere Grüne Klubobmann Gunther Trübswasser bei der Angelobung 1997 als Schwerpunkte bezeichnet. Der allererste Antrag der Grünen war jener auf Abschaffung des Proporzes. Das hat etwas Prophetisches. Denn diese Themen sind auch 25 Jahre später aktueller denn je. Aktuell und weiter stark ist aber auch der Widerstand vieler, diese Herausforderungen anzunehmen und Lösungen umzusetzen.

Ich habe die Ehre als Klubobmann ein großartiges Grünes Landtagsteam anzuführen. Eine neue Generation Grüner Abgeordneter, die mit jeder Faser bereit ist, die besten Lösungen für Oberösterreich gegen jedes Beharren und altes Denken durchzusetzen. Alle unser Vorgänger:innen haben gewusst, dass ihre Arbeit ein Bohren dicker Bretter ist. Sie haben aber auch gewusst, dass sie unverzichtbar ist und genau das hat sie angespornt. Dafür danke ich aufrichtigst. Oberösterreich erlebt einen Zeitenwandel. Wir als Grüner Klub wollen ihn gestalten und nutzen, andere haben ihn noch nicht einmal erkannt.

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Solidarität mit der Ukraine

Bei den meisten von uns läuft es jeden Tag in der Früh ähnlich ab: Smartphone in die Hand, kurz auf Twitter oder den Nachrichten-Websites schauen, was sich gerade tut. Ob irgendetwas wichtiges passiert ist. Meistens ist irgendetwas wichtiges passiert. Aber es klingt lächerlich gegenüber dem, was am 24. Februar auf unseren Smartphones erschienen ist. Am 24. Februar sind wir wie jeden Tag, alle aufgewacht, haben aufs Handy geschaut – und es war Krieg. Russland hat in einem völkerrechtswidrigen, brutalen kriegerischen Vorgehen die Ukraine angegriffen.  

Ein paar hundert Kilometer von uns entfernt haben die Menschen nicht nach dem Aufwachen am Handy vom Krieg erfahren. Sie sind aufgewacht, weil der Krieg vor ihrer Haustür war. Weil Bomben fallen, Häuser brennen, Menschen sterben. Bei ihnen vor der Haustür, vor welcher am Vortag noch Frieden war.  

Wir hier im oberösterreichischen Landtag beschäftigen und meistens mit den politischen Anliegen vor unserer unmittelbaren Haustür, mit den Herausforderungen in Oberösterreich. Wer von uns hätte es vor ein paar Wochen für möglich gehalten, dass wir heute und hier im oö Landtag über einen Krieg auf europäischem Boden reden? Mit einem Krieg der nur 1.000 km, 10 Autostunden, von uns entfernt stattfindet. 

Seit zwei Wochen leben die Menschen in der Ukraine in Angst. Uns erreichen Bilder und Videos von Menschen, die vor den Trümmern ihres bisherigen Lebens stehen. Menschen, die in Luftschutzbunkern und in den U-Bahn-Station Schutz vor russischen Bombenangriffen suchen. Wir sehen Bilder von Babys, die in diesen Bunkern geboren werden. Bilder von einem Kinderkrankenhaus, das völlig zerbombt wurde. Das Leid ist unerträglich. 

Ein Mann trägt die Verantwortung für diesen Krieg

Die Verantwortung für dieses Leid trägt eine Person, ein Mann: der russische Präsident Wladimir Putin. Bis zuletzt wurde versucht, die Krise abzuwenden mit Diplomatie und am Verhandlungstisch. Doch Putin wollte nicht. Putin tischte allen Lügen auf. Was Putin wollte, war Krieg – ohne Rücksicht auf Verluste und Menschenleben. Krieg in der Ukraine, Krieg gegen die Menschen in der Ukraine. 

Es ist wichtig es auch hier an dieser Stelle noch einmal unmissverständlich zu sagen: Die Invasion der Ukraine ist ein klarer Bruch des Völkerrechts. Dieser Angriffskrieg verletzt die Souveränität und die territoriale Integrität der Ukraine. Dieser Krieg ist ein Überfall auf Werte wie Frieden, Demokratie und Freiheit. Für diese Werte leisten die UkrainerInnen bislang erbitterten Widerstand. Und auch Europa leistet Widerstand, indem es in einer bisher ungeahnten Geschlossenheit Sanktionen gegen Putins Regime verhängt. 

Wir senden heute hier mit dieser Gemeinsamen Erklärung ein klares und unmissverständliches Zeichen: Wir verurteilen den russischen Angriffskrieg gegen Ukraine und stehen fest an der Seite der Ukraine, ihrer Menschen, ihres Rechts auf Selbstbestimmung, Freiheit und Demokratie. Unser geeinter Appell an Russland kann nur immer wieder lauten: Beenden Sie diesen Krieg! Sofort! Stoppen Sie das Töten unschuldiger Menschen! 

Kurz drei Aspekte die aus meiner Sicht jetzt zentral sind – und wo OÖ ganz konkret aktiv werden kann:

Erstens: Helfen. Vor Ort und in OÖ.

Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat lt. UNHCR bereits über 2 Mio. Menschen zur Flucht gezwungen und hunderten ZivilistInnen, unschuldigen Kindern in der Ukraine das Leben gekostet. Die EU-Staaten haben einem gemeinsamen historischen Akt gesetzt, indem sie die Gewährung vorübergehenden Schutzes die Richtlinie über temporären Schutz im Falle eines sogenannten “Massenzustroms” von Vertriebenen verabschiedet haben. Damit erhalten Ukrainerinnen und Ukrainer als Kriegsflüchtlinge ohne ein Asylverfahren vorübergehenden Schutz und Zugang zu staatlichen Leistungen sowie zum Arbeitsmarkt. 

Auch die Hilfsaktionen der Regierung und der Bundesländer für die Menschen in der Ukraine sind bereits voll angelaufen: Transporte mit Hilfsgütern sind unterwegs. Gleichzeitig werden für die Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet Quartiere frei gemacht. Allein gestern sind über 500 Geflüchtete aus der Ukraine in OÖ angekommen. Dank an alle, die Quartiere zur Verfügung stellen und an die Einsatz und Hilfs-Organisationen wie RK, Caritas, Volkshilfe uvw. Wie schon im Jahr 2015 ist es einmal mehr auch die Zivilgesellschaft und sind es die seit damals aufgebauten Integrationsstrukturen und Netzwerke, die einfach anpackt und eine unglaubliche Hilfsbereitschaft und Solidarität an den Tag legt. Unbürokratisch und selbstorganisiert. Vielen Dank für die gute Zusammenarbeit und ihren Einsatz.

Mit der Gemeinsamen Erklärung bekennen wir uns als Land OÖ dazu, unserer humanitären Verantwortung nachzukommen und geflüchteten Menschen bei uns Schutz zu gewähren. Dieser Schutz muss aus unserer Sicht übrigens auch für die Tausenden Drittstaatsangehörigen gelten, die in Ukraine einen Asylantrag laufen hatten oder dort studierten. Jeder, der vor Krieg flüchtet, hat Schutz verdient – unabhängig von Herkunft und Hautfarbe. Bomben unterscheiden nicht zwischen Hautfarbe, Religion und Staatszugehörigkeit.  

Zweitens: Klimapolitik ist Friedens- und Sicherheitspolitik  

Selten wurde so deutlich, wie abhängig Europa (auch wir in Ö) von Öl und Gas-Importen aus Russland sind und damit abhängig von den Machenschaften eines Machthabers, dessen Krieg wir damit finanzieren: Österreich importiert aktuell rund 80 Prozent seines Erdgases aus Russland. Die Abhängigkeit von Erdgas wirkt sich nicht nur fatal auf die immer stärker sichtbare Klimakrise aus, befeuert die Energiepreise und gefährdet die Versorgungssicherheit, sondern füllt auch Putins Kriegskasse für den völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine. 

„Erdgas zeigt gerade sein hässliches Gesicht, es ist nicht nur schlecht fürs Klima, es macht uns abhängig, es macht uns verwundbar”, sagt Klimaministerin Leonore Gewessler. Der Krieg zeigt auch diese Abhängigkeit, in der Europa von Russland steht. Und diese Fesseln müssen und können wir lösen. Nicht nur, um das Klima zu retten. Sondern schlicht und ergreifend deswegen, weil die Abhängigkeit von Staaten wie Russland unerträglich ist, sondern auch weil es unerträglich ist, Putins Krieg auch nur einen Cent beizusteuern. 

Drittens: Für die Demokratie kämpfen  

Ich möchte jetzt noch einen weiteren Aspekt ansprechen. Denn der Krieg Putins gegen die Ukraine ist – ich habe es bereits erwähnt – auch ein Angriff auf unsere europäischen Werten, ein Angriff auf Demokratie, freie Meinungsäußerung, Pressefreiheit und vieles mehr, wofür unser Europa einsteht. 

Freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit sind in Russland stark eingeschränkt, bzw. existieren nicht mal mehr auf dem Papier. Soziale Medien wurden vergangene Woche gesperrt. Mutigen Menschen, die gegen den furchtbaren Krieg auf die Straße gehen, drohen bis zu 15 Jahre Haft. Die immer stärkere Zensur der Medien führt dazu, dass der Krieg in der Ukraine nicht mehr als solcher bezeichnet werden darf. Freie, unabhängige Berichterstattung in Russland ist mittlerweile unmöglich, es regieren die Fake News. Ausländische JournalistInnen werden „zu Mikrofonständern degradiert“, wie der ORF-Korrespondent in Moskau, Paul Krisai, jüngst sagte.

Und diese Fake News und die Propaganda der russischen Staatsmedien schwappen bis zu uns nach Österreich. Zufall ist das keiner! Eine Flut von Bildern und Videos – der Krieg tobt auch im Netz. Und viele dieser Fake News und dieser Propaganda werden bereitwillig geteilt, auch von in OÖ ansässigen Medien, die nach wie vor mit Geldern des Landes unterstützt werden. 

Was auffällig ist: Gerade in coronamaßnahmen-skeptischen Gruppen wimmelt es dieser Tage nur so von Pro-Putin-Postings. Viele von jenen, die Tag für Tag gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße gehen und „Friede, Freiheit, keine Diktatur“ skandieren, unterstützen jetzt den Krieg führenden, Demonstranten einsperrenden Autokraten Putin. Die zynische Ironie lässt einem den Atem stoppen.

Dafür habe ich überhaupt kein Verständnis. Jetzt ist nicht die Zeit für Verständnis gegenüber einem Aggressor, der aus reiner Machtlust Panzer und Bomben in ein Land schickt. Jetzt ist die Zeit zu unterscheiden zwischen Frieden und Aggression. Zwischen Gerechtigkeit und dem Willen des Stärksten. Zwischen Handeln und Wegsehen, wie die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock jüngst vor der UNO in New York sagte. 

Wir als OÖ. Landtag verurteilen gemeinsam diesen Angriffskrieg aufs Schärfste. Wir unterstützen alle Maßnahmen, um das Leid der Menschen vor Ort zu lindern und den Flüchtenden zu helfen. Das ist selbstverständlich. Vor allem muss aber die Gewalt enden. Im Gleichklang mit allen anderen demokratischen Kräften, mit Organisationen und Institutionen fordern wir einen umgehenden Stopp des Angriffs. Die Waffen müssen schweigen, Gespräche beginnen und nur eine freie Ukraine kann ein akzeptables Ergebnis sein. 

Wir stehen in diesen Stunden ohne Zweifel an der Seite der Menschen in der Ukraine und werden sie nicht alleine lassen. 


Rede anlässlich der gemeinsamen Erklärung des OÖ. Landtags am 10. März 2022 zum Thema „Uneingeschränkte Solidarität mit der Ukrainischen Bevölkerung“

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Klimaneutralität 2040? Noch bremst Oberösterreich.

Dass die Verbrennung von Öl und Gas, die Verbrennung von fossilen Brennstoffen, unseren Planeten zerstört, das sind wahrlich keine breaking news. Erste Erkenntnisse dazu gibt es seit über 100 Jahren. Spätestens seit den 1990ern ist es wissenschaftlich common sense, dass die Klimakrise Realität ist – und dass der Mensch daran schuld ist. Das ist eine schlechte Nachricht, weil niemand gerne an etwas schuld ist. Das ist aber auch eine gute Nachricht, weil es bedeutet, dass wir das auch ändern können.

Klimakrise ist wissenschaftlicher Konsens seit den 1990er

1992 fand in Rio de Janeiro die erste größere UN-Umweltkonferenz statt. Auf dieser Konferenz hielt eine junge Frau namens Severn Suzuki, ein damals 12jähriges Mädchen, eine beeindruckende Rede zur Zukunft unseres Planeten. Man nannte sie danach „das Mädchen, das die Welt zum Schweigen brachte“. Leider schwieg die Welt zu lange. Während die Wissenschaft zwar immer eindringlicher warnte, haben weite Teile der Politik die Tragweite nicht erkannt – oder schlichtweg ignoriert. 

Die Klimakrise wird sichtbar

Wir wissen heute, dass gewisse Entwicklungen der Klimakrise nicht aufgehalten werden konnten. Dass Dinge, die wir jetzt erleben, nun zu unserem alltäglichen Leben gehören. Starkregen, Unwetter, Murenabgänge, extreme Hitze im Sommer, brutale Kälte im Winter, Wetterkapriolen, andauernde Trockenheit, was auch bei uns in den letzten Jahren in mancher Gemeinde die Brunnen austrocknen ließ. Wir wissen aber auch, und da ist die Wissenschaft in ihren Prognosen gnadenlos, was kommt, wenn jetzt nicht entschlossen gehandelt wird.

Von Suzuki zu Thunberg

27 Jahre nach Frau Suzuki hat es wieder eine junge Frau gebraucht, um die Welt wachzurütteln. Greta Thunberg aus Schweden. Die hat die Welt nicht zum Schweigen gebracht, vielmehr hat sie den Anstoß dafür gegeben, dass weltweit hunderttausende von jungen Menschen auf die Straße gehen. Für ihre Zukunft. Mit einer banalen Forderung, die einfach nur lautet: „Hört auf die Wissenschaft.“

Sie hat dafür gesorgt, dass nicht nur die jungen Leute aufstehen und für ihre Zukunft kämpfen, sondern dass sich viele Initiativen gegründet haben, die ihre Expertise, ihre Kompetenzen einbringen. Ob das Scientists4Future sind, die Parents4Future, die vielen klimapolitisch aktiven NGOs, aber auch Zusammenschlüsse wie die Klimaallianz OÖ, bei der ich mich dafür bedanke, dass sie an uns alle herangetreten ist mit der Forderung, endlich zu handeln, was wir gerne aufgegriffen haben.

Ziele reichen nicht, wir brauchen konkrete Maßnahmen

Die Zeit der Überschriften muss vorbei sein. Und wenn es noch so schöne Überschriften sind. Wenn wir uns jetzt nicht darauf einigen, mit welchen Maßnahmen, mit welchen konkreten Schritten, die selbst gesteckten Ziele erreicht werden, dann werden wir sie nie erreichen. Mit allen Konsequenzen. 

Was wir jetzt brauchen, sind klare, ambitionierte Ziele als ersten Schritt. Aber vor allem eindeutige, unmissverständliche Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen. Es reicht nicht mehr, wunderschöne Raumordnungsstrategien zu drucken, wenn sie nicht gesetzlich abgedeckt werden. Es reicht nicht mehr, PV-Strategien zu präsentieren, wenn dahinter keine konkreten Maßnahmen und Budgets verankert sind. 

Klimaneutralität bis 2040

Es ist jetzt an der Zeit, dass jeder, sei es die Weltgemeinschaft, die Europäische Union, seien es einzelne Staaten, seien es Länder oder Gemeinden, klar sagt, wie er in seinem eigenen Bereich die Reduktion der Treibhausgase erfüllen wird. 

Die Bundesregierung hat dafür klare Vorgaben formuliert. Im Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen ist verankert, dass Österreich bis zum Jahr 2040 klimaneutral ist. Das ist ein Meilenstein! Das ist nicht irgendwann, sondern in gerade einmal 20 Jahren. Ist das ambitioniert? Ja. Ist es notwendig? Unbedingt. Dieses Datum ist die Vorgabe für uns, die wir jetzt mit konkreten Maßnahmen zu füllen haben.

OÖ hat viel zu tun, wir sind weit weg von einer Klimaneutralität

So liegt unser Bundesland beim Anteil erneuerbarer Energien laut Bundesländervergleich von Global 2000 im Schlussfeld. Derzeit decken Erneuerbare Energien nur 31 Prozent bzw. knapp ein Drittel des Bruttoinlandsenergieverbrauchs in Oberösterreich. Der weitaus größere Teil speist sich aus den fossilen Energieträgern Erdgas mit 22 Prozent, Kohle 23 Prozent und Mineralöl mit 24 Prozent. (Oö. Energiebericht). 

Die aktuell gültige Oö. Energiestrategie ist nicht geeignet, um bis 2040 die Klimaneutralität in Oberösterreich zu erreichen. Deshalb muss sie geändert, verbessert an die Ziele auf Bundes- und EU-Ebene angepasst werden sowie zu einer integrierten Klima- und Energiestrategie inkl. Klimawandelanpassung erweitert werden. 

Ein solch umfassender Klimaschutz-Plan für Oberösterreich zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2040 darf keinen einzigen Bereich aussparen. Nicht die Verkehrspolitik, nicht die Energie, nicht den Wohnbau, die Industrie oder die Landwirtschaft. Und schon gar nicht die Raumordnung, die zu einem Gutteil dafür verantwortlich ist, dass OÖ beim Ausstoß von CO2 beim Verkehr in Österreich trauriges Schlusslicht ist. Es muss Schluss sein damit, dass weiterhin Supermärkte auf die Grüne Wiese betoniert werden. Oder dass man glaubt, Verkehrsprobleme mit neuen Autobahnen zu lösen. 

Die Öffentlichkeit hat die Notwendigkeit erkannt. Der Kampf gegen die Klimakrise wird von vielen Menschen als das wichtigste Anliegen unserer Zeit betrachtet. Dafür haben letztendlich die jungen Menschen gesorgt, die das Thema auf die Straße und in die Köpfe getragen haben. 

Jetzt ist es unsere historische Verantwortung, das Problem zu lösen. Weil wir die erste Generation sind, die die Klimakrise wirklich spürt, aber vor allem weil wir die letzte sind, die dagegen etwas unternehmen kann. 

Und OÖ? Da bremsen die anderen Parteien. Noch.

Schwarz-Blau hat die Dringlichkeit der Klimakrise noch immer nicht erkannt. Aber warten geht sich nicht mehr aus. Die Ablehnung der Klimaneutralität 2040 durch ÖVP, FPÖ und SPÖ im Landtag ist ein Rückschlag fürs Klima, aber noch lange kein Schlusspunkt. Weite Teile der Bevölkerung, der Wirtschaft sind bereit zur Rettung des Planeten. Die Mehrheit in der Politik zu überzeugen ist jetzt auch unsere Aufgabe. Und die werden wir mit vollem Einsatz angehen. 

Rede im OÖ. Landtag am 27. Mai 2021

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OÖ. KünstlerInnen-Mindestsicherung: Kafka erblasst vor Neid

Ein Rettungspaket oder nicht mehr als eine Mogelpackung? Diese Frage stellt sich unweigerlich, wenn man dieser Tage in Medien die Schlagzeile „Oberösterreich zahlt Mindestsicherung für freie Künstler“ lesen darf. Österreichweit sorgt diese „Mindestsicherung für KünstlerInnen“ für Aufsehen – aber auch für positive Reaktionen. 917 Euro pro Monat soll die finanzielle Unterstützung für Kulturschaffende betragen, maximale Auszahlungsdauer sind drei Monate. Rund 2.700 Euro für Kulturschaffende – das klingt nach einer sehr guten Nachricht, sind doch vor allem KünstlerInnen, KulturvermittlerInnen und KulturarbeiterInnen ganz besonders von den Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus betroffen. Nicht umsonst habe ich einen Antrag im Landtag eingebracht, der mittels Arbeitsstipendien den genannten Gruppen helfen soll. 

Nachdem der Landeshauptmann nun diesen auch „Mindestsicherung“ genannten Härtefonds angekündigt hat (der auch mittlerweile in der Landesregierung mehrheitlich so beschlossen wurde), sollte man doch eigentlich glücklich sein können: „Mit dem neuen Härtefonds für Künstlerinnen und Künstler und unseren laufenden Förderprogrammen können wir oberösterreichische Kulturschaffende (…) aktiv und bestmöglich unterstützten und ihnen in der aktuellen Notsituation mit Soforthilfemaßnahmen zur Seite stehen“, verkündet der Landeshauptmann. Damit sollte die Geschichte ein gutes Ende gefunden haben.

Ein Blick ins Kleingedruckte

In der Sitzung vom 4. Mai 2020 wurde der Härtefonds für Kulturschaffende in der Landesregierung beschlossen – ohne Zustimmung der Grünen. Die Gründe dafür sind im Kleingedruckten zu finden, also in Förderbedingungen. Das Land hat nämlich ein paar Kriterien aufgestellt, um festzulegen, wer aller anspruchsberechtigt ist. Und da bleibt, wie ich in den kommenden Absätzen zeigen werde, wohl niemand übrig. 

Problem Nummer 1: 

Um eine Förderung durch das Land OÖ zu bekommen, muss man eine Absage einer Unterstützung durch den COVID-19 Härtefallfonds des Bundes und der Künstlersozialversicherung vorlegen. Das Problem dabei? Bislang gibt es keine Absagen aus dem Fonds der Künstlersozialversicherung (KSVF). In Phase 1 dieses Fonds wurden bis heute kein einziger Antrag abgelehnt!

Mit aktuellem Stand wurden dort rund 3.000 Anträge eingereicht. Davon wurden bereits 60% positiv erledigt, 1.583 Personen (davon 51%, die noch nie beim KSVF waren) haben eine Auszahlung erhalten bzw. zugesagt bekommen. Im Schnitt 650 Euro. Jede Person, deren Antrag vollständig war und wo bereits geklärt ist, ob es sich um eine KünstlerIn handelt und wo festgestellt wurde, dass es sich um einen Härtefall handelt, hat Unterstützung erhalten. Jede Person. Damit ist die Person aber von der Förderung des Landes ausgeschlossen! Bislang hat noch niemand eine Absage vom KSVF erhalten – eine Absage ist aber Voraussetzung für eine Zuwendung durch das Land OÖ. Es gibt keine Ablehnung durch den KSVF. Also auch kein Geld aus OÖ. 

Problem Nummer 2: 

Im Schnitt erhalten KünstlerInnen aus Phase 1 des KSVF einmalig 650 Euro. Das ist wichtig, aber noch nicht genug, deswegen kommt beim KSVF noch eine zweite Phase mit mehr Geld und einfacherem Zugang. Aber: Wer jetzt eine Unterstützung aus der Künstlersozialversicherung bekommen hat, darf nicht mehr um die „Mindestsicherung“ in OÖ ansuchen. Man muss also hoffen, dass der KSVF das Ansuchen ablehnt, damit man in OÖ überhaupt ansuchen darf. Aber es wurde, wie gesagt, beim KSVF noch kein einziges Ansuchen abgelehnt. Also: Eine kleine Summe aus Wien – und dafür nichts mehr aus OÖ. 

Problem Nummer 3: 

Die „Mindestsicherung“ bekommen in OÖ nur Kulturschaffende, die ihren Lebensunterhalt ausschließlich (!) aus ihrer selbstständigen künstlerischen und kulturellen Tätigkeit beziehen und darüber hinaus keine Einkommensquellen haben. Wieder ein Ausschließungskriterium, das völlig an der Lebensrealität von vielen KünstlerInnen vorbei geht. Die wenigsten Kunstschaffenden können von ihrer künstlerischen Tätigkeit leben. Deswegen haben sie noch einen anderen Job. Und zwar die meisten! 70% der Kulturschaffenden geben an, noch eine kunstnahe oder kunstferne Tätigkeit auszuüben, oftmals mit einer geringfügigen Anstellung. Das nächste Ausschließungskriterium für die „KünstlerInnen-Mindestsicherung“. 

Problem Nummer 4: 

Wer beim KSVF keine Notlage aufgrund von Corona nachweisen kann, wird nichts bekommen – außer einer Absage. Mit dieser Absage kann man dann in OÖ ansuchen – und wird nichts bekommen, weil auch in OÖ eine Notlage Voraussetzung ist.

Problem Nummer 5: 

Eine Absage des KSVF wird es dann geben, wenn es sich bei der ansuchenden Person nicht um eine/n Kulturschaffenden handelt. Mit dieser Absage könnte man dann in OÖ ansuchen, wird aber auch dort nichts bekommen – weil sich die „Mindestsicherung“ dezidiert nur an Kulturschaffende richtet. 

Wer bekommt jetzt also eine Unterstützung durch die „OÖ. KünstlerInnen-Mindestsicherung“?

Eine große Frage bleibt nach der Lektüre der Förderbedingungen: Gibt es auch nur eine Person, die alle Kriterien für die „KünstlerInnen-Mindestsicherung“ des Landes OÖ erfüllt? Also eine Absage vom Härtefallfonds und dem KSVF? Dazu die ausschließliche Bestreitung des Lebensunterhaltes aus selbstständiger künstlerischer Tätigkeit? 

Ich befürchte, dass es keine einzige Person gibt, die bei den aktuellen Kriterien tatsächlich eine Unterstützung durch die groß angekündigte Unterstützung es Landes OÖ bekommen wird. Wer die „KünstlerInnen-Mindestsicherung“ des Landes bekommen will, muss nämlich eine Absage aus dem KSVF vorweisen. So eine hat bislang aber noch niemand bekommen. Wer vom KSVF eine Ablehnung erhält, weil es sich um keinen Notfall handelt oder weil man keine KünstlerIn ist (weitere Gründe gibt es nicht wirklich), der darf in OÖ ansuchen – und wird dann dort abgelehnt. 

Wenn sich die Anspruchskriterien also nicht ändern, bleibt von dieser „Mindestsicherung“ also nur eines übrig: Eine Schlagzeile. Ein Luftschloss, ohne Fundament. Eine Sprechblase, die zu zerplatzen droht, wenn man sie nur genauer ansieht. Ein Förder-Irrweg ohne Ausgang, der selbst Kafka vor Neid erblassen lassen würde. 


Rede im Landtag zum Thema Arbeitsstipendien für KünstlerInnen


[Update 23.06.2020: Nach sieben Wochen hat das Land nunmehr die Kriterien geändert, der Zugang zum „Härtefallfonds für oö. Kulturschaffende ist damit endlich möglich.]