Die ehemalige Finanz- und Innenministerin Maria Fekter hat eine neue Aufgabe: Sie ist Kultursprecherin der ÖVP. Nachdem sie in ihren bisherigen Aufgabenbereichen so viel Ärger hatte, wird sie die neue Herausforderung nun viel positiver angehen und „nur mehr Wohlfühltermine wahrnehmen“.
Als erste Amtshandlung könnte sie nun die 2008 erschienene Studie „Zur sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen in Österreich“ herunterladen und lesen. Exemplarisch ein Blick in das Kapitel „Einkommenssituation“ (Zitat aus der Kurzfassung; in der Langfassung ab Seite 73ff):
- Einkommen aus künstlerischer Tätigkeit: Das mittlere künstlerische Einkommen beträgt 4.500 Euro netto im Erhebungsjahr. Frauen lukrieren hier im Mittel ein um 35% niedrigeres Einkommen als Männer. Darstellende KünstlerInnen und Filmschaffende erzielen mit etwas über 8.000 Euro p.a. die vergleichsweise höchsten künstlerischen Einkommen, LiteratInnen mit 2.600 Euro die geringsten (Mediane).
- Quellen und Einkommens-(Dis)Kontinuität: Auf Ebene aller Befragten stammen 64% des künstlerischen Einkommens aus dem Verkauf von Leistungen und Werken, 20% aus angestellter Tätigkeit, 7% aus Tantiemen und sonstigen Quellen und 9% aus Preisen, Prämien, Stipendien und Einzelpersonenförderungen. Der letztere Anteil fällt unter Frauen etwas höher aus als bei Männern, und liegt im Spartenvergleich bei LiteratInnen mit 23% deutlich am höchsten. Insgesamt ist für 60% der Kunstschaffenden ihr künstlerisches Einkommen unregelmäßig und schwer planbar, für weitere 21% unregelmäßig aber planbar. Nur 19% lukrieren regelmäßiges künstlerisches Einkommen.
- Einkommen aus kunstnahen und/oder -fernen Tätigkeiten: Unter Einbeziehung aller Einkommen erzielen im Erhebungsjahr Kunstschaffende im Mittel ein persönliches Netto-Jahreseinkommen von 12.400 Euro, der Einkommensvorteil der Männer liegt hier bei 36% (Median). Zum Vergleich: das durchschnittliche jährliche Nettoeinkommen selbstständig Erwerbstätiger in Österreich betrug 2005 18.900 Euro, das mittlere Netto-Einkommen unselbstständig Beschäftigter machte 2006 17.100 Euro p.a. aus (Median).
- Das mittlere Äquivalenzeinkommen1 der Kunstschaffenden liegt im Erhebungsjahr mit rund 1.000 Euro pro Monat nur knapp über der Armutsgefährdungsgrenze (2006: 893 Euro monatlich), und deutlich unter dem mittleren Äquivalenzeinkommen der österreichischen Gesamtbevölkerung (2006: monatlich 1.488 Euro). Unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze leben 37% der Kunstschaffenden – dieser Anteil beträgt in der Gesamtbevölkerung 13% und unter allen Erwerbstätigen 7%.
Sollte Fekter auf diese Lektüre verzichten wollen und bei ihrem Vorhaben bleiben, sich auf Wohlfühltermine zu konzentrieren, dann bezeichnet das einen neuen Tiefpunkt in der VP-Kulturpolitik. Die Verantwortung ihrer neuen Funktion wäre es aber, sich mit den Lebensrealitäten der KünstlerInnen zu befassen. Und zwar dringend. Sozusagen shortly, without von delay.
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1 Das Äquivalenzeinkommen berücksichtigt die Haushaltsgröße und beschreibt damit den ‚Lebensstandard’ der Haushaltsmitglieder.
Eine Antwort auf „Wohlfühltermine“
[…] Vermutlich wird in den folgenden Diskussionen die Behauptung aufgestellt werden, dass Kürzungen im Kulturbereich um nicht einmal 100.000 Euro im Vergleich zum gesamten Finanzbedarf zu verschmerzen sind. Wer das behauptet, ignoriert allerdings nicht nur die Entwicklungen der Kulturbudgets der letzten Jahre, sondern auch die Bedingungen, unter denen im Kulturbereich gearbeitet wird. […]